…Lust auf „mehr“
oder
die klare Absage an das Ungleichgewicht zwischen Form und Inhalt…
Die Frage „Wie geht`s?“ ist ja wohl einer der Form-Klassiker schlechthin.
Die Form dieser Frage ist die Ausgeburt der vererbten Kopie einer Erkundigung nach dem Wohlbefinden eines anderen Menschen.
Es ist DIE Frage, die bei einem persönlichen oder unpersönlichen Kontakt zwischen Menschen zigmal sehr unüberlegt gestellt wird.
Was denken wir uns dabei, wenn wir diese Frage stellen?
Ehrliche Antwort?
In vielen Fällen „nix“.
Dieses „nix“ ist so unbedeutend wie die Frage „Wie geht`s?“ und die Antwort hierauf: „Gut“.
Ich interpretiere diese Frage immer als Unlust, Zeitnot sowie falsche Höflichkeit bis hin zu „Eigentlich interessiert es mich relativ wenig, wie es dir geht.“
Dies gilt übrigens auch für die darauf folgende Antwort „Gut.“
Was ich dieser vererbten Floskel immer noch Gutes abgewinnen kann ist, dass man zumindest die Höflichkeit als Form beigehalten hat.
Doch letztendlich ist man dann an der Weiterverfolgung des Inhalts gescheitert.
Es ist immer noch erstaunlich, dass wir uns besonders in der vermeintlich fortgeschrittenen Welt, immer noch dazu hinreißen lassen, dieses Floskelspiel in einem gewissen Erstkontakt zwischenmenschlicher Beziehung zu spielen.
Wir beschäftigen uns mit nahezu allem und jedem, sind jedoch nicht in der Lage in einer ehrlichen Art und Weise unserem Mitmenschen - mit dem uns was auch immer verbindet - zu begegnen, sodass Nähe, Interesse, Aufmerksamkeit und nicht zuletzt Kommunikation entsteht, die nachhaltig positiv wirkt.
Sind wir doch ehrlich.
Begegnungen dieser Art mit dieser Frage- Antwort-Thematik sind nichts anderes als das, was der Filmklassiker „Und täglich grüßt das Murmeltier“ uns vermittelt.
Eintönig wiederholend, schwer zu durchbrechen, langweilig und inhaltlich nicht existent.
Es wird allerhöchste Zeit, dass wir uns mehr und anders zwischenmenschlich verhalten, wenn wir als Ziel ein friedvolles Miteinander erreichen wollen.
Wir haben als globalste Schöpfung dieser Erde, ausgestattet mit den meisten Möglichkeiten an emphatischem Verhalten sowie dem größten Lernfaktor von Leben und Intelligenz jederzeit die Fähigkeit, uns unseren Mitmenschen interessiert und warmherzig zu öffnen und dies in Fragen und Anmerkungen erkennen zu lassen.
Wenn wir es schaffen würden, uns in diesen Momenten so zurückzunehmen, dass uns wirklich nur das Interesse am Menschen mit seinen Empfindungen und Wahrnehmungen interessiert, dann wäre vielerlei Negatives auf dieser Erde nicht so, wie es heute ist.
Ich erinnere mich an eine Geschichte, die ich in einem solchen Zusammenhang gelesen habe.
Paul kaufte sich eines Tages ein Wandbild, auf das er sehr stolz war.
Zuhause angekommen stellte Paul fest, dass ihm zum Aufhängen des Bildes ein Hammer fehlte, um den Nagel an die vorgesehene Stelle in die Wand zu schlagen.
Paul überlegte kurz und entschied sich, bei seinem Nachbarn Hans zu fragen ob dieser ihm seinen Hammer ausleihen könnte.
Doch hielt Paul kurz ein und erinnerte sich, dass Hans bei einer flüchtigen Begegnung heute Morgen ein wenig grimmig dreinschaute.
Überhaupt konnte Paul sich erinnern, dass dies nicht das erste Mal war, dass Hans ihm so gegenüber trat, wobei man doch in den letzten Wochen auch das ein oder andere Mal bei einem Bier im Garten oder auf der Terrasse vermeintlich Spaß gehabt hatte.
Aber war das Verhalten von Hans dann ehrlich?
Paul dachte als er weiter kurz innehielt, dass Hans sowieso ein schwieriger und teilweise unangenehmer Mensch sei, der mit seinem narzisstischen und rebellischen Verhalten in manchen Situationen sehr den sozialen Rahmen sprenge.
„Das muss ihm jetzt einmal gesagt werden, das geht jetzt nicht mehr so weiter“, sagte Paul.
Kurzerhand entschloss Paul sich, wütend und aufgebracht, bewaffnet mit einem Nagel in der linken Hand, bei Hans zu klingeln.
Hans öffnete lächelnd die Türe. Unvermittelt konfrontierte Paul seinen Nachbarn mit einem verbalen Ausbruch an Vorwürfen, die Hans überhaupt nicht verstand.
Zum Schluss bemerkte Paul das Hans sich seinen Hammer sonst wo hinstecken könnte, er würde sich schon anderweitig helfen.
Hans hatte außer seinem ersten Lächeln nicht die geringste Chance sich auch nur mit einer Silbe mitzuteilen.
Diese Geschichte wirkt auf mich im ersten Moment oberflächlich und damit amüsant.
Beim zweiten Blick stelle ich allerdings eine Charakteristik fest, die zu unserer Fragestellung „Wie geht`s?“ und Antwort „Gut.“ sehr gut passt und bedenklich erscheint.
Die Oberflächlichkeit und das Desinteresse, die mit diesem unbedeutenden Frage- Antwort-Getue einhergehen, produzieren im denkbar ungünstigsten Fall Unkenntnis, Voreingenommenheit und Unverständnis. Dies wiederum, und das sollte uns sehr bewusst sein, ist die Grundlage für jede potentierte Form kriegerischer Auseinandersetzung.
Übertrieben?
Eher nicht, denn auch wenn wir heute noch weit von einem erstrebenswerten und friedvollen Miteinander entfernt sind, so haben wir es zumindest in der westlichen Welt geschafft, die längste Zeit ohne kriegerische Auseinandersetzung zu leben.
Ich möchte dazu motivieren, respektvolles, wahres Interesse und akzeptiertes Miteinander zu leben und damit unsere Mitmenschen offen und warmherzig zu empfangen.